
Die Folgen einer fehldosierten Insulintherapie im Rahmen des Diabetesmanagement können im schlimmsten Fall lebensbedrohlich sein. Denn es ist nicht immer leicht, die Insulindosis an schwankende Glukosespiegel anzupassen. Gefährlich sind insbesondere nächtliche schwere Hypoglykämien. Warum sich daher viele Diabetespatienten dazu entscheiden, sich eher konservative, niedrige Insulindosen zu verabreichen, ist leicht nachzuvollziehen – damit nehmen sie aber auch ein erhöhtes Risiko an diabetischen Folgekomplikationen in Kauf.
Seit den 1970er-Jahren wird daher versucht, „intelligentes“ Insulin zu entwickeln – ein Insulin, das seine Bioaktivität an unterschiedliche Blutzuckerspiegel anpassen kann. Bislang ist dies nicht zufriedenstellend gelungen. Auch der Einbau eines glukosesensitiven Schalters in das Insulinmolekül – ein beileibe nicht triviales Unterfangen – war noch nicht wirklich erfolgreich.
Insulin mit molekularem Glukoseschalter
Dänische Forscher haben diesen Ansatz jetzt einen großen Schritt vorangebracht: Ihr Insulin NNC2215 ist zum einen an ein Glukosidmolekül, zum anderen ein großes ringförmiges, sogenanntes Markomolekül gekoppelt. Das Glukosid dient dabei als „Glukosefühler“, der Makrozyklus als Verschlussmechanismus, der das Insulinmolekül blockieren oder freigeben kann.
Bei niedrigen Blutglukosewerten bleibt das neue Insulinmolekül in einem inaktiven, „geschlossenen“ Zustand. Eine Bindung an den Insulinrezeptor ist damit nicht möglich, der Blutzucker wird nicht weiter gesenkt. Bei steigendem Glukosespiegel verdrängen die Glukosemoleküle das Glulosid von seiner Bindungsstelle, das Makromolekül öffnet sich und das Insulin kann an den Insulinrezeptor der Zellen andocken. Diese können nun den Zucker aus dem Blut aufnehmen und der Blutzucker sinkt. Erreicht der Blutglukosewert wieder einen ausreichend niedrigen Bereich, klappt der Makrozyklus wieder zu, das Molekül ist inaktiv.
Glukosesensitiver Effekt im Tiermodell
Im Tiermodell ist es den Forschern bereits gelungen, mit ihrem Insulin lebensgefährliche Hypoglykämien zu verhindern. Wurde Schweinen NNC2215 infundiert, kam es nach dem Absetzen der Glukosezufuhr zu einem deutlich geringeren Blutzuckerabfall als unter Insulin degludec. In diabetischen Ratten dagegen führte die Gabe von NNC2215 während eines Glukosebelastungstests zu einer ca. 20 % geringeren maximalen Glukosekonzentration. Die Kontrolle war in diesem Fall äquimolar infundiertes Humaninsulin. Der Effekt entsprach der Wirkung einer 30%igen Zusatzdosis Humaninsulin.
Fazit
Im Tiermodell hat Insulin NNC2215 seine glukosesensitive Wirkung damit unter Beweis gestellt. Ob dieser molekulare Schalter aber auch Menschen vor lebensgefährlichen Hypoglykämien schützen und eine aggressivere Insulintitration möglich machen kann, gilt es abzuwarten. Ein Knackpunkt könnten potenzielle immunologische Reaktionen gegen die modifizierten Molekülbestandteile sein.
Quelle: Hoeg-Jensen T et al. Nature 2024; 634: 944-951. DOI: 10.1038/s41586-024-08042-3


