
CGM-Systeme können bei Gesunden bis zu 4-mal längere Hyperglykämie-Phasen anzeigen als tatsächlich vorliegen – das führt zu unnötiger Verunsicherung.
Systeme zum kontinuierlichen Glukosemonitoring sind hervorragende Hilfsmittel für Menschen mit Diabetes. Ihr Einsatz hilft vielen Betroffenen, ihren Blutzuckerspiegel über möglichst lange Zeitintervalle im Zielbereich zu halten, lässt sich mit ihnen doch die Reaktion der Blutglukose nach dem Genuss verschiedener Lebensmittel oder körperlicher Aktivität praktisch in Echtzeit verfolgen.
Fraglicher Nutzen bei Stoffwechselgesunden
Immer häufiger setzten aber Menschen ohne Diabetes solche Systeme ein. Ihr Motivation ist zum Beispiel, durch eine glukoseoptimierte personalisierte Ernährung, den Blutzuckerspiegel stabil zu halten und Energieeinbrüche oder Heißhungerattacken zu vermeiden. Sie erhoffen sich von den Geräten eine ideale Möglichkeit zur Selbstoptimierung. In den USA wurden sie kürzlich für diesen Zweck für den rezeptfreien Verkauf zugelassen.
Eine Studiengruppe um Hutchins et al. warnt jedoch vor dem unkritischen Einsatz von CGM-Geräten, da diese glykämische Reaktionen oftmals überschätzen. In ihrer Analyse waren die per CGM angegebenen Nüchtern- und postprandialen Glukosekonzentrationen im mittel um 16 mg/dl bzw. 0,9 mmol/l höher als die im Kapillarblut gemessenen Konzentrationen.
Für ihre Analyse hatten die Studienautoren die Genauigkeit der CGM-Messungen bei 15 gesunden Frauen (n = 9) und Männern (n = 6) geprüft und dafür jeweils insgesamt 7 Kohlenhydrat-Challenges durchgeführt: In Testmahlzeiten nahmen die Probanden im Cross-over-Design 50 g Kohlenhydrate in verschiedenen Darreichungsformen zu sich – als Glukoselösung (Kontrolle), als Smoothie ohne und mit Inulin, einem natürlichen, nicht resorbierbaren, wasserlöslichen Ballaststoff, als Fruchtstücke oder als Fruchtpüree. In einer weiteren Testsituation wurde zudem die Glukosemenge auf 30 g reduziert, in einer anderen tranken die Probanden den Smoothie sehr langsam. Die Blutzuckermessungen erfolgten über einen Zeitraum 120 Minuten, wobei die kapillären Blutentnahmen im 15-Minuten-Takt durchgeführt wurden.
CGM und Kapillarblut liefern unterschiedliche Messergebnisse
Tatsächlich konnten die Studienautoren anhand dieses Experiments ihre Vermutung bestätigen: Im Kontroll-Test (50 g Glukose) konnten die Forscher mit jeweils 181 mmol/l identische AUC-Werte – die Basis für die Berechnung des glykämischen Index – für beide Varianten zur Blutzuckerbestimmung messen (AUC: area under the curve). Für fast alle anderen Testmahlzeiten ergaben sich signifikant unterschiedliche Werte.
Für den Smoothie ohne Inulin beispielsweise wurde mit dem CGM ein AUC-Wert von 123 mmol/l und damit ein glykämischer Index von 69 ermittelt; im Kapillarblut dagegen lagen der AUC-Wert mit 93 mmol/l und der daraus berechnete glykämische Index von 53 signifikant niedriger. Auch der inulinhaltige Smoothie, das langsame Trinken des Smoothies über einen Zeitraum von 30 Minuten oder die Reduktion der Kohlenhydratdosis auf 30 g lieferten bei der Messung mit dem CGM höhere AUC-Werte als die Glukosemessung im Kapillarblut. Dabei fielen auch interindividuelle Unterschiede auf. Nur wenn die Probanden die im Smoothie enthaltenen Früchte in Form von Fruchtstücken zu sich nahmen, waren die AUC-Werte ähnlich hoch.
Überzeichnete Hyperglykämieepisoden
Besonders auffällig war, dass über die CGM-Messung bis zu 4-mal längere Zeitintervalle für erhöhte postprandiale Werte (>140 mg/ml bzw. >7,8 mmol/l) ermittelt wurden als über die Glukosemessung im Kapillarblut. Auch eine individuelle Kalibierung des Systems konnte diesen Effekt nicht aufheben, sondern nur halbieren.
Fazit
Nach Ansicht der Studienautoren sind CGM-Systeme keine geeignete Methode, um einen günstigen oder ungünstigen glykämischen Index eines Lebensmittels zu bestimmen, da die Abschätzung der Glykämie sowohl von der aufgenommenen Nahrung als auch von individuellen Faktoren abhängt. Sie fürchten, dass gesunde Personen, die das kontinuierliche Glukosemonitoring zur Optimierung ihrer Essgewohnheiten oder einer Diät nutzen, von den in einigen Situationen systematisch überschätzen glykämischen Reaktionen – wie beispielswiese die Dauer einer postprandialen Hyperglykämie unnötig verunsichert werden.