Höheres Engagement der BetroffenenStudie sieht Vorteile in Gruppenbetreuung von Patienten

Patienten stellen mehr Fragen, kommentieren mehr und zeigen ein höheres Maß an nonverbalem Engagement, wenn sie an Arztterminen teilnehmen, bei denen auch andere Betroffene anwesend sind. So das Ergebnis einer aktuellen Studie der ESMT Berlin.

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Wird die individuelle Betreuung von Patienten bald zum Auslaufmodell?

Bei gemeinsamen Arztterminen treffen sich die Patientinnen und Patienten mit dem ärztlichen Fachpersonal in einer Gruppe, wobei nacheinander behandelt wird. Die Ärztin oder der Arzt tauscht sowohl Informationen aus, die auf die Bedürfnisse des einzelnen Betroffenen zugeschnitten sind, als auch Informationen, die für alle Teilnehmenden mit der gleichen Erkrankung relevant sein können. Diese Form der Betreuung wurde bislang kritisiert, da befürchtet wird, dass der Verlust von Privatsphäre und der persönlichen Beziehungsebene zwischen Behandelnden und Behandelten ein geringeres Engagement der Erkrankten zur Folge haben könnte. Die vorliegenden Untersuchungsergebnisse zeigen jedoch am Beispiel augenärztlicher Versorgung, dass dies nicht unbedingt der Fall sein muss.

Patienten stellten mehr Fragen und kommentierten mehr

Die Forschenden führten eine randomisierte, kontrollierte Studie mit 1000 Patientinnen und Patienten durch, die sich über einen Zeitraum von drei Jahren einer Glaukom-Behandlung unterzogen. Sie wurden dazu in Gruppen zu je fünf Teilnehmenden für Einzeltermine oder gemeinsamen Arztterminen (SMAs) eingeteilt, wobei jede Person vier Termine im Abstand von vier Monaten wahrnahm. Anhand der Wort- und Verhaltensprotokolle der Videoaufzeichnungen, die während der Studie erstellt wurden, untersuchten die Forschenden, wie sich SMAs auf das Engagement der Betroffenen auswirken.

Im Durchschnitt stellten Patientinnen und Patienten, die an SMAs teilnahmen, pro Minute 33,3% mehr Fragen und machten 8,6% mehr Kommentare. Bei mehreren Erkrankten in einer SMA führte eine Steigerung des Engagements dazu, dass alle innerhalb der Gruppe mehr Kommentare hörten. Patientinnen und Patienten in SMAs zeigten auch ein höheres Maß an nonverbalem Engagement bei einer Vielzahl von Messgrößen, darunter Aufmerksamkeit, Positivität, Augenkontakt und Zufriedenheit am Ende des Termins.

Mehr Zeit mit den behandelnden Ärzten 

„Unsere Analyse wirft ein Licht auf die Vorteile der Gestaltung von Dienstleistungsmodellen, die es den Kunden ermöglichen, sich gegenseitig zu helfen. Das führt zu effizienteren Dienstleistungsbegegnungen im Gesundheitswesen und darüber hinaus”, sagt Nazlı Sönmez. "Während unserer Studie haben unsere ärztlichen Partner beobachtet, dass die Teilnehmenden in SMAs durch die Fragen und Kommentare der anderen Erkrankten motiviert wurden, bestimmte Fragen selbst zu stellen.”

Zudem ermöglicht die Gestaltung von SMAs den Erkrankten, mehr Zeit mit dem ärztlichen Fachpersonal zu verbringen, wenn auch gemeinsam mit anderen Personen. Das wirkt sich positiv auf die Qualität und die Wertschöpfung aus.