Verschobene Operationstermine, geänderte Therapiepläne, weniger Arztbesuche: Auch Krebspatienten mussten während der Corona-Pandemie Abstriche bei ihrer Behandlung in Kauf nehmen. Wissenschaftler des Deutsche Krebsforschungszentrums (DKFZ) haben nun versucht, das Ausmaß und die psychosozialen Folgen für Betroffene in Deutschland zu beziffern.
Für die Studie wurden 2.391 Personen aus dem Krebsregister Baden-Württemberg schriftlich befragt. Die Befragten waren im Mittel 65,5 Jahre alt und seit mindestens 5 Jahren an Lungen-, Prostata-, Brust- bzw. Darmkrebs oder an Leukämien/Lymphomen erkrankt. Psychische Belastungssymptome wurden im Fragebogen gemäß der Hospital Anxiety and Depression Scale (HADS) erfasst.
Die wichtigsten Ergebnisse:
- Jeder dritte Befragte zeigte Anzeichen einer Depression oder Angststörung.
- Mehr als jeder Fünfte (22%) berichtete, dass Therapiepläne wegen der Pandemie geändert wurden. Die Änderungen betrafen vor allem die Nachsorge und Rehabilitationsmaßnahmen.
- Bei 5,8% der Teilnehmenden wurde die aktive Therapie umgestellt.
- In dieser Subgruppe waren subklinische Ängste mit 50,5% und subklinische Depressionen mit 55,4% besonders hoch.
- Ein Alter über 60 Jahre, weibliches Geschlecht, Lungenkrebs, geringes Einkommen und Kontaktbeschränkungen zu Selbsthilfegruppen oder Ärzten wurden als unabhängige Risikofaktoren für Angstzustände identifiziert.
- Risikofaktoren für eine Depression waren Lungenkrebs (beide Geschlechter), Leukämie/Lymphom (weiblich), Rückfall oder palliative Behandlung, Alleinleben, geringes Einkommen und Kontaktbeschränkungen zu Verwandten, Ärzten oder Betreuern.
Ein guter Arztkontakt stabilisiert
Und was trug in der Pandemie zum psychischen Wohlbefinden der Krebsbetroffenen bei? Es waren stabile Kontakte zu Angehörigen, aber auch zum behandelnden Arzt. Ein guter Arztkontakt sei offenbar in der Lage gewesen, die pandemie-bedingten Belastungen abzupuffern, betont Erstautorin Daniela Doege. „Dabei dürfte eine adäquate Information etwa über geplante Therapieänderungen ebenso eine Rolle gespielt haben wie das Gefühl des Aufgehobenseins.“
Die Autoren halten fest, dass die Mehrheit der Studienteilnehmer nicht von Änderungen in der onkologischen Versorgung betroffen war. Jedoch weisen sie auf die hohe Prävalenz von Ängsten und Depressionen hin, die auch Kontaktbeschränkungen geschuldet war. Mit Blick auf künftige Krisenzeiten raten sie, die physischen und psychischen Folgen von Krebspatienten und gefährdeten Überlebenden gegen den Nutzen einer Verringerung der Infektionszahlen gut abzuwägen.
Quelle: Doege D et al. Int J Cancer 2024. DOI: 10.1002/ijc.35204