
Bei der Mehrzahl der chronisch entzündlichen Erkrankungen wurden verringerte Tryptophan-Serumspiegel und ein überwiegend negativer Zusammenhang zwischen Tryptophan und dem systemischen Entzündungsmarker C-reaktives Protein (CRP) beobachtet.
Chronisch entzündliche Erkrankungen (CEDs) betreffen verschiedene Organe wie den Darm, die Haut und die Gelenke. Die Inhibition von extra- und intrazellulären Signaltransduktionsketten ist aufgrund der ähnlichen Pathophysiologie ein verbindendes therapeutisches Konzept bei all diesen CEDs.
Als essenzielle Aminosäure wird Tryptophan (Trp) über exogene Quellen aufgenommen und dann metabolisiert, um verschiedene bioaktive Derivate zu bilden. Es gibt 3 Hauptwege des Tryptophanabbaus:
- den Kynurenin-Weg,
- den Serotonin-Weg und
- die Produktion von Indolverbindungen.
Die vorgestellte Arbeit untersuchte die Gesamtverteilung der Tryptophan-Veränderungen bei 13 chronisch entzündlichen Erkrankungen des Magen-Darm-Trakts, des Bewegungsapparats und der Haut. Verwendet wurden Hochleistungsflüssigkeitschromatografie (HPLC) und gezielte Massenspektrometrie, um Serum- und Stuhlspiegel sowohl von Tryptophan als auch von dessen Derivaten zu bestimmen. Die retrospektive Studie enthält sowohl Querschnitts- als auch Längsschnittkomponenten.
Tryptophan bei den meisten CEDs reduziert
Bei der Mehrzahl der chronisch entzündlichen Erkrankungen wurden verringerte Tryptophan-Serumspiegel und ein überwiegend negativer Zusammenhang zwischen Tryptophan und dem systemischen Entzündungsmarker C-reaktives Protein (CRP) beobachtet. Dabei war der Tryptophan-Serumspiegel bei mehreren CEDs auch dann niedrig, wenn keine messbaren systemischen Entzündungen vorlagen. Dies könnte beispielsweise bei der Entscheidung helfen, wann und in welcher Intensität -eine medikamentöse Therapie begonnen werden soll. Der Anstieg des Verhältnisses von Kynurenin zu Tryptophan (Kyn : Trp) lässt vermuten, dass diese Veränderungen auf einen verstärkten Abbau über den Kynureninweg zurückzuführen sind.
Die Autoren stellen die Hypothese auf, dass der gestörte Tryptophan-Stoffwechsel bei chronisch entzündlichen Erkrankungen mit dem langfristigen Krankheitsverlauf in Verbindung steht. Die Theorie des kritischen Übergangs besagt, dass eine erhöhte Varianz ein Indikator für eine Veränderung in zuvor stabilen Systemen ist. Ähnliches gilt auch für Diabetes, wo die langfristige Variabilität des Blutzuckerspiegels mit kardiovaskulären Komplikationen in Verbindung gebracht wird.
Höhere Schwankungen = komplexerer Verlauf?
Die Studienautoren diskutieren, ob die Tryptophan-Variabilität auf einen komplizierten Krankheitsverlauf hinweist. In Übereinstimmung mit der Hypothese halten sie fest, dass Patienten, die eine Therapieeskalation mit Biologika oder Januskinase (JAK)-Inhibitoren benötigten, höhere Schwankungen der Tryptophan- und CRP-Werte aufwiesen als Patienten, die keine Eskalation benötigten. In Übereinstimmung mit der Theorie des kritischen Übergangs könnte demnach sowohl die CRP- als auch die Tryptophan-Variabilität Phasenverschiebungen hin zu komplizierteren Krankheitsverläufen anzeigen.
Das wiederum würde auf einen möglichen Nutzen dieser Messgrößen in einem prädiktiven Kontext hindeuten. Beim Vergleich mit der Allgemeinbevölkerung wurden geschlechtsspezifische Muster im Tryptophan-Spiegel aufgedeckt. Nur 4 der 13 untersuchten chronisch entzündlichen Erkrankungen zeigten niedrige Tryptophan–Spiegel bei weiblichen Patientinnen, bei männlichen CED-Patienten waren es dagegen 8. Ob die Ursache biologische Faktoren, soziale Einflüsse oder eine Kombination aus beidem sind, bleibt offen.
Darüber hinaus wurde eine Untergruppe von Krankheiten identifiziert, die auch ohne systemische Entzündung (CRP < 5 mg/l) reduzierte Tryptophan-Werte aufweisen. Aus dem Formenkreis der entzündlichen Darmerkrankungen gehören dazu Morbus Crohn und Colitis ulcerosa.