
Mehr als ein Blick in die Glaskugel: Bestimmte Antikörperprofile weisen bereits bis zu 10 Jahre vor der Diagnose auf eine chronisch entzündliche Darmerkrankung hin.
Dazu haben sie Serumproben von US-Soldaten, die entweder an Morbus Crohn (n = 200) oder Colitis ulcerosa (n = 200) erkrankt sind, sowie von gesunden alters- und geschlechtsgematchen Kontrollpersonen (n = 100) analysiert. Da die Militärangehörigen über einen langen Zeitraum medizinisch begleitet wurden, konnten sie auf Proben aus den Jahren vor der Diagnose der chronisch entzündlichen Darmerkrankung (CED) zurückgreifen, sodass sie Serumproben nutzen konnten, die 10, 4 und 2 Jahre vor dem jeweiligen Erkrankungsbeginn entnommen worden waren.
Fingerprint der Zukunft?
Mithilfe eines hochmodernen Phagen-Display-Immunpräzipitations-Sequenzierungsassays (PhIP-Seq) wurden die Serum-Antikörper-Repertoires dieser Proben untersucht. Insgesamt definierten die Forscher 357.000 mikrobielle, virale, lebensmittel- und immunassoziierte Peptidantigene, die sie mit den in den insgesamt 2.000 Proben der Studienteilnehmer abglichen. Die Studienautoren hofften, dass sich im Vorfeld eines CED-Schubs Muster an externen Triggern finden lassen sollten, die sich in dem Antikörperprofil widerspiegeln.
Tatsächlich konnten sie Unterschiede in den Antikörperprofilen finden. Entwickelten die Probanden eine chronisch entzündliche Darmerkrankung, war ihr Antikörperprofil im präklinischen Stadium deutlich weniger divers als das von den Probanden, die gesund blieben. Besonders große Fluktuationen waren im Vorfeld von Morbus-Crohn-Diagnosen aufgefallen. Diese Unterschiede waren bis zu 10 Jahre vor der Diagnose erkennbar.
Differenzierung zwischen Morbus Crohn und Colitis ulzerosa
Unterschiede fanden die Forscher auch beim Blick auf einzelne Antikörper, die sie – mithilfe maschineller Lernmodelle – zu einem Antiköper-Fingerabdruck verarbeiteten. Bei späteren Morbus-Crohn-Patienten fielen im Vergleich zu Personen der Kontrollgruppe insbesondere ausgeprägte Antikörpertiter gegen Herpes-Viren (Epstein-Barr-Virus [EBV], Cytomegalovirus und Varicella-Zoster-Virus) auf, dagegen waren weniger Antikörper gegen Streptokokken zu detektieren.
Davon wiederum konnten die Forscher das Antikörperprofil der künftigen Colitis-ulcerosa-Patienten klar abgrenzen. Hier fanden sie im Vergleich mit den gesunden Kontrollen insbesondere Antikörper gegen Herpesviren, dafür waren die Antikörper-Antworten gegen verkapselte Krankheitserreger (z. B. Streptococcus pneumoniae oder Haemophilus influenzae) hier weniger ausgeprägt.
Vorhersagekraft: bis zu 10 Jahre
Auch die Schwere der eingetretenen Zöliakie-Erkrankung (kompliziert vs. nichtkompliziert) konnte über das Antikörperrepertoire bis zu 10 Jahre vor der Diagnose – mit einer nur geringen falsch-positiven Rate – abgegrenzt werden.
Fazit
Noch ist dieses „Antikörper-Profiling“ sehr abstrakt – aber womöglich gibt es damit eine Chance, schon im präklinischen Stadium eine zukünftig auftretende chronisch entzündliche Darmerkrankung prognostizieren zu können. Würden schon dann präventive Maßnahmen ergriffen, ließe sich vielleicht bei einem Teil der Betroffenen der Ausbruch der Erkrankung verhindern. Ob diese Hypothese aber auch wirklich klinisch nutzbar werden wird, muss jetzt in weiteren Studien sorgfältig evaluiert werden.
European Crohn's and Colitis Organisation (ECCO) 2025, OP01
Quelle: Bourgonje AR et al. J Crohns Colitis 2025; 19: i1-i3. DOI: 10.1093/ecco-jcc/jjae190.0001