„Tausendsassa“ DarmmikrobiomWie der Darm eine drohende Nierenabstoßung verraten kann

Kann der Darm vor Transplantatversagen warnen? Eine aktuelle Studie liefert Hinweise darauf, dass mikrobiologische Veränderungen im Darmmikrobiom frühzeitig auf eine drohende Abstoßung der transplantierten Niere hinweisen können – ein möglicher Gamechanger für die Nachsorge in der Transplantationsmedizin.

Darmflora als Frühwarnsystem
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Veränderungen im Darmmikrobiom könnten ein Frühindikator für Nierenabstoßungen nach der Transplantation sein.

Ein Großteil unseres Darmmikrobioms, nämlich über 90 %, sind Bakterien. Diese Bakterien und die Substanzen, die sie herstellen, kommunizieren mit unserem Immunsystem. Bei Patienten mit chronischer Nierenerkrankung ist die Zusammensetzung des Darmmikrobioms stark verändert – die Folge sind niedrigere Konzentrationen an entzündungshemmenden kurzkettigen Fettsäuren (short chain fatty acids; SCFA) und erhöhte Konzentrationen an entzündungsfördernden Metaboliten.

Immunologischer Taktgeber nach Nierentransplantation

Auch im Darmmikrobiom von Nierentransplantierten lassen sich Veränderungen in der Zusammensetzung und der Funktion des Darmmikrobioms nachweisen – und dies, so das Ergebnis einer aktuellen Studie, bereits vor der Abstoßungsreaktion des Transplantats. Gewonnen wurde diese Erkenntnis aus der Analyse der insgesamt 562 Stuhlproben, gruppiert nach gesunden Nierenspendern, Patienten vor der Nierentransplantation, 0–-3 Monate nach der Nierentransplantation, 3–12 Monate, 12–24 Monate und über 24 Monate nach Nierentransplantation. Dabei ergab sich eine dynamische Regeneration des Mikrobioms im Laufe der Zeit nach der Nierentransplantation, wobei sich das Mikrobiom wieder dem natürlichen und gesunden Zustand annähert.

„Da wir diese dynamische Veränderung beobachtet haben, wollten wir verstehen, ob und wie Transplantatabstoßungen diesen Prozess beeinflussen“, erklärt Dr. Johannes Holle, Berlin, einer der beiden Erstautoren der Studie. „Und auch umgekehrt, wie sich Mikrobiomveränderungen auf die Immunität und Abstoßung von Transplantaten auswirken können“, ergänzt Rosa Reitmeir, Berlin, die zweite Erstautorin. Tatsächlich konten sie bei den Patienten, bei denen es zu einer Transplantatabstoßung gekommen ist, eine veränderte Zusammensetzung des Darmmikrobioms bereits vor der klinisch auffälligen und bioptisch nachgewiesen Abstoßungsreaktion beobachten.

Veränderte Signaturen – Frühwarnzeichen vor der Abstoßung?

Auffällig war, dass bei Patienten, die eine Abstoßungsreaktion zeigten, die Bakterienspezies wieder zunahmen, die typischerweise bei Patienten mit fortgeschrittenem Nierenversagen vorkommen, wie Fusobacterium und krankheitsassoziierten Gattungen wie Streptococcus. Bei der „Nicht-Abstoßungs-Gruppe“, war das nicht der Fall. Insgesamt reduzierte sich das Produktionspotenzial kurzkettiger Fettsäuren im Stuhl vor der Abstoßung der Niere. Darauf weist die verminderte Häufigkeit von bakteriellen Enzymen, aus denen kurzkettige Fettsäuren hervorgehen, vor der Abstoßung hin.

Die dynamische Regeneration des Mikrobioms nach einer Nierentransplantation ist im Falle einer Transplantatabstoßung womöglich erheblich gestört. Schon vor der Abstoßung treten tiefgreifende Veränderungen in der Zusammensetzung des Mikrobioms auf, die durch eine verminderte Diversität und eine geringe Anzahl von SCFA-produzierenden Bakterienpopulationen gekennzeichnet sind. „Unsere Ergebnisse deuten darauf hin, dass das Mikrobiom eine wichtige Rolle dabei spielt, wie das Immunsystem nach einer Nierentransplantation reagiert. Diese Beobachtung kann dabei helfen, die Gefahr einer Transplantatabstoßung frühzeitig zu erkennen oder vielleicht therapeutisch zu beeinflussen“, fassen Johannes Holle und Rosa Reitmeir zusammen.

Literatur: Holle J et al. Am J Transplant 2025; S1600-6135(25)00093-0. DOI: 10.1016/j.ajt.2025.02.010


Quelle: Pressemeldung „Darmmikrobiom als Vorhersagefaktor für Nierenabstoßung?" vom 04.04.2025, herausgegben vom Deutschen Zentrum für Infektionsforschung (DZIF)