Mitochondrien gelten als Kraftwerke der Zellen. Ihr Verlust oder ihre Dysfunktion kann zur Erschöpfung von Immunzellen führen, die dann zum Beispiel Krebs nicht mehr ausreichend bekämpfen können – aktuell ein großes Hindernis für erfolgreiche T-Zell-basierte Immuntherapien. Studien haben gezeigt, dass Mitochondrien nicht fest an eine Zelle gebunden sind, sondern sich zwischen Zellen bewegen können. Dadurch können Zellen wieder mit neuer Energie aufgeladen und ihre Lebensdauer verlängert werden.
Organellen zwischen Zellen übertragen
Dieser Vorgang ist Grundlage eines neuen Ansatzes, der T-Zell-Therapien künftig zu mehr Schlagkraft verhelfen könnte: Im Fachmagazin Cell beschreibt ein internationales Forscherteam um Prof. Luca Gattinoni vom Leibniz-Institut für Immuntherapie (LIT) in Regensburg das Potenzial des Mitochondrientransfers. Die Forschenden hatten zunächst herausgefunden, dass Mitochondrien zwischen Knochenmark-Stromazellen (BMSCs) und T-Zellen durch winzige Tunnel, sogenannte Nanotubes, wandern und eine Brücke zwischen den Zellen bilden. In Versuchen mit Mäusen und menschlichen Modellen wurden dann intakte Mitochondrien-Organellen in die T-Zellen übertragen.
Bessere Antitumorreaktionen
CD8+ T-Zellen, die die exogenen Mitochondrien aufgenommen hatten, konnten sich effektiver vermehren, Tumore besser infiltrieren und zeigten weniger Anzeichen von Erschöpfung als T-Zellen, die keine Mitochondrien aufnahmen. Infolgedessen vermittelten mitochondrienverstärkte CD8+-T-Zellen überlegene Antitumorreaktionen und verlängerten so das Überleben der Tiere.
Für den Mitochondrientransfer ist das Protein Talin 2 sowohl auf Spender- als auch auf Empfängerseite entscheidend. Das Molekül ist an der Bildung der winzigen Brücken beteiligt, die die Zellen verbinden.
Dem Bericht nach wurde die neue Methode erfolgreich bei verschiedenen T-Zell-Therapieplattformen eingesetzt, darunter CAR- und TCR-modifizierte T-Zellen sowie Tumor-infiltrierende Lymphozyten (TILs).
Für Zelltherapien der nächsten Generation
Die Forschenden gehen davon aus, dass ihre innovative Mitochondrientransfer-Technik die Krebsimmuntherapie künftig stärken könnte, da sie viele der aktuellen Herausforderungen bei T-Zell-Therapien adressiert - etwa die geringe Vermehrung von T-Zellen, eine zu kurze Lebensdauer oder eine unzureichende Tumorinfiltration. Allerdings sind bis zum klinischen Einsatz noch weitere Forschungsarbeiten nötig. „Unsere Erkenntnisse etablieren den interzellulären mitochondrialen Transfer als Prototyp der Organellenmedizin“, schreibt das Team, „und eröffnen neue Möglichkeiten für Zelltherapien der nächsten Generation.“
Baldwin JG et al. Cell 2024; 187, 1-17. DOI: 10.1016/j.cell.2024.08.029