
Erstmals konnten Forschende spezialisierte Subpopulationen von Adipozyten identifizieren, sich hinsichtlich ihrer biologischen Funktion deutlich unterscheiden
In den letzten 20–30 Jahren ist die Sichtweise zur Funktion des Fettgewebes revolutioniert worden: Alle Fettgewebe – unabhängig davon, an welcher Stelle in der menschlichen Anatomie sich diese befinden - sind stark sekretorisch und regulieren grundlegende zahlreiche biologische Prozesse, wie zum Beispiel Appetit und Sättigung, aber auch Immunfunktion, Gefäßtonus oder Fortpflanzung. Auch dass es zwischen subkutanem und viszeralem Fettgewebe zu unterscheiden gilt, ist bekannt. So ist viszerales Fett lipolytischer und weist ein stärker inflammatorisches Profil auf als subkutanes Fett – und hat daher einen nachteiligen Effekt auf die Gesundheit. Doch trotz dieser funktionellen - und der auf der Ebene der Ganzgewebetranskriptomik nachweisbaren - Unterschiede, scheinen die Fettdepots auf Einzelzellebene recht ähnlich zu sein.
Einen tieferen Blick in das Fettgewebe haben jetzt israelische Forscher geworfen. Mithilfe Einzelzell-Sequenzierung haben sie versucht, aus dem Fettgewebe von gesunden Menschen depotspezifische Adipozyten-Subtypen zu identifizieren. Proben aus der Leipzig Obesity BioBank hatten daran einen wesentlichen Anteil.
Differenzierung spezialisierter Fettzellen
Tatsächlich konnten die Forscher spezialisierte Fettzellen definieren, die sich hinsichtlich ihrer biologischen Funktion deutlich unterscheiden. Neben den klassischen Adipozyten, deren Funktion insbesondere im Lipidstoffwechsel angesiedelt ist, fanden die Forscher auch Zelltypen, in denen andere Prozesse im Vordergrund stehen:
• immunbedingte, extrazelluläre Martixablagerung (Fibrose),
• Vaskularisation und Angiogenese oder
• ribosomale und mitochondriale Prozesse.
„Die ‚klassischen‘ Fettzellen spielen eine Rolle im Stoffwechsel von Glukose und Fett, während die ‚nicht klassischen‘ Fettzellen bei Entzündungsprozessen, der Entstehung von Fibrose im Fettgewebe und der Gefäßneubildung von Bedeutung sind. Zwischen diesen Zell-Subtypen gibt es dynamische Übergänge“, erklärt Prof. Matthias Blüher, Leipzig, Mitautor der Studie. So scheinen die klassischen Adipozyten das ‚Endprodukt‛ der Entwicklungsstrecke zu sein und sich aus den nicht klassischen Adipozyten zu entwickeln, die wiederum aus Vorläuferzellen generiert werden. Damit scheint der klassische Zellzustand eher mit einem Verlust und nicht mit einem Gewinn spezialiserter Funktionen assoziiert zu sein.
Eine Stellschraube: Entzündungsreaktion im Gewebe
Zudem stellten die Wissenschaftler fest: Eine Entzündung und Fehlfunktion des Fettgewebes scheint bei bestimmten Fettdepots – wie dem inneren Bauchfett oder Unterhautfettgewebe – unterschiedlich zu sein. Die Zellzusammensetzung des Fettgewebes ist von einer Entzündungsreaktion im Gewebe stark abhängig.
Hintergrundwissen
Einzelzell-Sequenzierung
Für die Studie wurde eine innovative Technologie verwendet, die RNA-Moleküle kartiert, die die Grundlage für die Übersetzung des Genoms in Proteine bilden. Diese sogenannte Einzelzell-Sequenzierung basiert darauf, dass an die RNA-Moleküle jeder Zelle ein „Barcode“ angebracht wird. Auf diese Weise werden Tausende von Zellen, aus denen das Gewebe besteht, gleichzeitig mit einem Strichcode versehen. So lassen sich Zellen mit ähnlichen Untergruppen von RNA-Molekülen, die zum selben Zelltyp gehören, von Zellen mit unterschiedlichen Untergruppen von RNA-Molekülen, die zu verschiedenen Zelltypen gehören, differenzieren. Die Anwendung der Technologie auf Fettgewebeproben ermöglichte die Identifizierung bekannter Zelltypen, aus denen das Gewebe besteht, wie etwa Blutgefäßzellen, Zellen des Immunsystems und überraschenderweise bisher nicht charakterisierte Subtypen.
Literatur: Lazarescu O et al. Nat Genet 2025; 57: 413–426. DOI: 10.1038/s41588-024-02048-3
Quelle: Pressemeldung „Neuer Baustein auf dem Weg zu personalisierter Medizin bei Adipositas“ vom 12.03.2025, herausgegeben von der Universität Leipzig